
Konnekt: Interkommunale Kooperation und Transformation als Grundlage einer regionalen Kreislaufwirtschaft und einer nachhaltigen Regionalentwicklung im Landkreis Saarlouis
Zukunftsvorstellungen der jungen Generation
Beispiele von Zukunftswünschen von Kindern und Jugendlichen im Landkreis Saarlouis
Autor*innen: Marguerite Sievi & Edgar Göll – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gGmbH (IZT); Alena Jahns (IZES gGmbH)
Zwei Workshops mit jungen Menschen im Landkreis Saarlouis geben Einblicke in ihre Visionen und Zukunftswünsche. Das Spektrum der Zukunftsvisionen ist sehr breit und umfasst Wünsche nach Gleichberechtigung, Toleranz und Teilhabe, mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz sowie soziale und wirtschaftliche Sicherheit. Verschiedene Handlungsempfehlungen lassen sich ableiten, darunter die Empfehlung, einen ,,Pakt für die Jugend’’ einzuführen, geeignete Lernmöglichkeiten zu schaffen, Kommunikationsgelegenheiten und Entfaltungsräume zu entwickeln bzw. zu kultivieren sowie ehrenamtliche Arbeit stärker zu unterstützen und anzuerkennen.
Ein Schwerpunkt von Konnekt war die Erforschung von Zukunftsvisionen für den Landkreis Saarlouis aus Sicht der kommunalen Akteure. Ergänzend standen auch die Visionen und Anliegen von Kindern und Jugendlichen im Fokus: Welche Vorstellungen und Wünsche haben sie von ihrer Zukunft und welche Themen bewegen sie besonders? Zwei Workshops, die 2022 mit der Lese- und Schreibwerkstatt Nalbach und dem Jugendbüro YOU in Saarlouis durchgeführt wurden, geben Einblicke in die Wünsche und Hoffnungen dieser jungen Zielgruppe.
Junge Stimmen für eine gerechte Zukunft: Gleichberechtigung, Toleranz und Teilhabe.
Der Gerechtigkeitsgedanke prägt die Zukunftsvisionen der Kinder und Jugendlichen durch den Wunsch nach weltweitem Frieden, dem Ende von Armut und Hunger und einer gerechten Verteilung von Lebensgrundlagen. Er spiegelt sich auch im Wunsch nach Heilmitteln für möglichst alle Krankheiten wider. Die Kinder und Jugendlichen verlangen Toleranz und Akzeptanz – ohne Homophobie, Rassismus, Diskriminierung und Mobbing – sowie mehr Rechte von LGBTIQ+ Personen. Sie wünschen sich faire Arbeitsbedingungen für alle und auch eine sichere und frühe Rente für kommende Generationen. Im Bildungsbereich fordern sie Chancengleichheit und die Anerkennung von Abschlüssen, während sie gleichzeitig eine umfassende Schul- und Lernreform verlangen. Diese sollte praxisnahe und abwechslungsreiche Lernformate bieten, die besser auf ihre Lebenswelt und den Alltag ausgerichtet sind, sowie eine größere Auswahl von Sportarten. Auch wollen sie besser auf das Leben nach der Schule vorbereitet sein und die notwendigen Arbeitsfähigkeiten vermittelt bekommen – und das in modernen Bildungseinrichtungen. Auch wünschen sie sich einen inklusiven Zugang zur digitalen Welt und angemessene schulische und außerschulische Kursangebote zur Stärkung digitaler Kompetenzen. Gleichzeitig sollte der Zugang zu WLAN und wichtigen Elektrogeräten für alle kostenfrei sein. In Zukunft wollen die Teilnehmenden mehr Teilhabe an der Politik und schlagen vor, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Neben einer dadurch gegebenen früheren Demokratiebeteiligung möchten sie außerdem mehr Mitspracherecht erhalten – insbesondere bei Themen, die sie direkt betreffen.
Wohn- und Arbeitswelt der Zukunft: vielfältig und nachhaltig gestaltet.
Die Kinder und Jugendlichen legen Wert auf ein breites und vielfältiges Angebot an Arbeitsplätzen, sowohl in akademischen als auch in handwerklichen Berufen, mit fairen Löhnen und guter Altersversorgung. Ihr Wohlstand sollte nicht vom Studium abhängen; auch ohne akademischen Abschluss sollte jede*r ein gutes und
erfülltes Leben führen können. Wohnorte der Zukunft sollten durch Begrünung und bezahlbaren Wohnraum attraktiver gemacht werden und gleichzeitig klimaneutral sein. Neben traditionellen Einfamilienhäusern wünschen sich die Kinder und Jugendlichen gemeinschaftliche Wohnformen und Mehrgenerationenhäuser, die alle mit Solarpanels auf den Dächern ausgestattet sind. Auf den Straßen dominieren technologische und digitale Innovationen, wie z. B. selbstfahrende Fahrzeuge. Parallel sollte es einen günstigeren oder sogar kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr geben sowie eine Vielzahl an alternativen Mobilitätsangeboten, zu denen u. a. die Rad- und E-Mobilität, das Carsharing und andere Leihangebote gehören.
Klima-, Umwelt- und Tierschutz zukünftig stärker im Fokus.
Auch im Bereich Klima-, Umwelt- und Tierschutz äußern die Kinder und Jugendlichen konkrete Wünsche und Visionen. Wichtig erscheint für sie ein größeres Umweltbewusstsein und ein angepasstes Verhalten der Menschen. Zukünftig sollte mehr Bewusstsein für den Ernst der Lage in Bezug auf die Folgen des Klimawandels herrschen und eine höhere Wertschätzung der Tiere und der Umwelt. So erhoffen sie sich eine Zukunft, in der im Sommer noch genügend
Niederschlag fällt und im Winter Schnee liegt. Daraus ergibt sich der Wunsch nach einer gezielten Verringerung von Abgasen und CO₂-Emissionen. Auch
Lebensräume der Tiere sollten mehr geschützt werden und ein Umdenken bei der Massentierhaltung und Ernährung stattfinden, indem mehr vegetarische bzw.
vegane Lebensmittel konsumiert werden, und vor allem bei Fleischprodukten möglichst auf eine regionale Herkunft geachtet wird. Weitere Ideen der Kinder und Jugendlichen zu umweltbewusstem Verhalten betreffen nachhaltiges Reisen, Mülltrennung, Verschonung der Natur vor Müll, Nutzung von Elektro-Fahrzeugen
und erneuerbaren Energien. Ihre Wünsche beziehen sich jedoch nicht nur auf individuelles Verhalten (z. B. in Form von Konsumentscheidungen); auch
wirtschaftliche Akteure sollen Verantwortung übernehmen, indem sie nachhaltige Produkte anbieten (hierzu gehören z. B. auch nachhaltige Verpackungslösungen, die Auswahl von hochqualitativen Stoffen und Materialien, Transparenz über die Herkunft und Produktionsmethoden, der Verzicht auf Pestizide in der Landwirtschaft sowie ein breites Angebot von Bio-Produkten).

Abbildung: Wünsche und Zukunftsvisionen junger Menschen im Landkreis Saarlouis, Ergebnisse aus Workshops in Kooperation mit der Lese- und Schreibwerkstatt Nalbach und dem Jugendbüro YOU in Saarlouis I Eigene Darstellung, IZT/IZES.
Einordnung der Workshop-Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für Kommunen
Die Einblicke in die Zukunftswünsche junger Menschen im Landkreis Saarlouis sind im Kontext weiterer Studien zur Perspektive der jungen Zielgruppe zu
betrachten. Die Relevanz von Klimaschutz und Nachhaltigkeit für junge Menschen, die aus den Workshops im Landkreis Saarlouis deutlich wird, zeigt sich auch in deutschlandweiten Studien wie der repräsentativen Umfrage „Zukunft? Jugend fragen!“, die das Bundesumweltministerium gemeinsam mit dem Umweltbundesamt herausgibt (BMUV & UBA 2024). Die einzelnen Zukunftswünsche innerhalb der Zielgruppe können allerdings auch im Widerspruch zueinanderstehen. So geben die Ergebnisse der Repräsentativumfrage von 2023 einen Hinweis darauf, dass Klima- und Umweltschutz für die meisten jungen Menschen in Deutschland einen hohen Stellenwert hat, gleichzeitig aber auch andere Wünsche, wie viele Reisen oder den Besitz eines eigenen Autos als wichtig angesehen werden (BMUV & UBA 2024). Im Vergleich zu anderen Altersgruppen ist die Bereitschaft, sich aktiv für Klima und Umwelt zu engagieren, bei jungen Menschen besonders hoch, wie eine Befragung von 2022 zeigt (BMUV & UBA 2023) und auch durch Fridays for Future deutlich wurde. Allerdings ist zwischen 2021 und 2023 auch ein Rückgang im Engagement für Umwelt- und Klimaschutz unter jungen Menschen festzustellen (BMUV & UBA, 2024). Die derzeitige Stimmungslage der Jugend in Deutschland ist gemäß aktueller Trendstudien von einem „Gefühl allgemeiner Überforderung“ gekennzeichnet. Demnach dominieren Sorgen um die Sicherung des Wohlstands, was zu hoher politischer Unzufriedenheit und zu einem deutlichen Rechtsruck führt. Denn: „Die jungen Leute fühlen sich durch wirtschaftliche und politische Krisen stark verunsichert. (…) Sie hatten nach ihrem eigenen Eindruck keinen Einfluss auf die Gestaltung der von Krisen geprägten Lebensbedingungen, die sie heute vorfinden“ (Schnetzer, et al., 2024, S.69).
Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen
Basierend auf der Tatsache, dass die jungen Generationen in der Zukunft leben werden, gilt das Motto: “Wer, wenn nicht wir, sollte die Zukunft mitgestalten?” Die Jugendphase ist der entscheidende Übergang in die Eigenständigkeit und für einen eigenen Lebensweg. Die beschleunigten Veränderungen und die akuten und absehbaren Herausforderungen sind mit traditionellen Denkmustern kaum zu bewältigen. Hierzu sind angemessene Lernmöglichkeiten zu schaffen, Kommunikationsgelegenheiten und Entfaltungsräume zu entwickeln bzw. kultivieren. Impulsgeber und Handlungsmotor für eine konstruktive und wirkungsvolle
Jugendpolitik wäre ein „Pakt für die Jugend“. In einem konzertierten und offenen, integrativen Prozess können von verschiedenen Akteuren angemessen
vielfältige Maßnahmen, Projekte und Veranstaltungen konzipiert und durchgeführt werden. Hiermit wären kommunal fachbereichsübergreifende Strategien für
Jugendpolitik zu entwickeln und in kommunalen Prozessen zu verankern. Dazu wären Kinder- und Jugendberichte zu erstellen und Jugend-Checks für
kommunale Maßnahmen durchzuführen. Entscheidungsprozesse sollten an Qualitätsstandards für eine wirksame Kinder- und Jugendbeteiligung orientiert werden.
- Jungen Menschen ist mehr gesellschaftliche Verantwortung zu überantworten und zu gewähren. Dazu gilt es, Frei- und Experimentierräume zur Entfaltung ebenso wie Raum zur kritischen Reflexion zu bieten. Selbstorganisierte und informelle Zusammenschlüsse Jugendlicher sollten besser unterstützt werden; z. B. können lokale Gesprächsrunden und Jugendparlamente eingerichtet werden.
- Ehrenamt sollte durch Bürokratieabbau und mehr Anerkennung unterstützt werden (z. B. Preisvergabe, Wettbewerbe, Jugendleiter*in-Card – Juleica).
- Angesichts der komplexen und dynamischen Digitalisierung sowie der Informations- und Kommunikationstechniken wären insbesondere medienpädagogische Regelangebote und Zugänge zu digitalen Medien in der Kinder- und Jugendarbeit zu fördern.
- Wegen der dringend erforderlichen sozialökologischen Transformation, die tiefgehende und umfassende Lernprozesse erforderlich macht, wäre Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) verstärkt zu fördern. Dies könnte u. a. durch engere Kooperationen der Kommunen mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen (Zukunftsthemen) sowie Vereinen erfolgen.
Um diese und andere Maßnahmen, die für junge Menschen förderlich sind, zu ermöglichen und zu unterstützen, sind auf höheren Politik- und Verwaltungsebenen passende Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört beispielweise eine Absenkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16. Insgesamt geht es darum, jungen Menschen auf allen Ebenen (Land, Bund, EU) mehr Mitspracherecht bei Themen zu bieten, die sie selbst betreffen In ökonomischer Hinsicht ist eine angemessene Kindergrundsicherung eine wesentliche Basis für die freie Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft und bundespolitisch einzuführen. Schließlich steht noch eine bessere Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, kurz UN-Kinderrechtskonvention, aus. All dies zusammen würde für junge Menschen und damit auch die Kommunen und die ganze Gesellschaft die Chancen auf ein besseres bzw. angemessenes Leben und eine nachhaltige, resiliente Zukunft spürbar erhöhen.
Literatur:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Umweltbundesamt, Williams, H., & Gellrich,
A. (2023). Umweltbewusstsein in Deutschland 2022 Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Umweltbundesamt, Williams, H., Mücksch,
J., Chvartsman, L., Jüttner, D., & Gellrich, A. (2024) Zukunft? Jugend fragen! – 2023 Umwelt und Klima in Zeiten vielfältiger Krisen: Wie
junge Menschen den Herausforderungen begegnen.
Simon Schnetzer, Kilian Hampel, Klaus Hurrelmann (2024). Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024: Verantwortung für die Zukunft?
Ja, aber“. Datajockey Verlag, Kempten