Konnekt: Interkommunale Kooperation und Transformation als Grundlage einer regionalen Kreislaufwirtschaft und einer nachhaltigen Regionalentwicklung im Landkreis Saarlouis

Alternative Grünschnittverwertung mittels Pyrolyse

Ergebnisse der Vorstudie und Ausblick auf die Machbarkeitsstudie zur Verwertung von Grünschnitt

Autor*innen: Valerie Adams, Malte Kraus & Imke Wißmann – Björnsen Beratende Ingenieure, Leonberg

Im Rahmen einer Vorstudie zur alternativen Verwertung von Grünschnitt wurden drei unterschiedliche Verwertungsmöglichkeiten anhand verschiedener Kriterien verglichen: Verbrennung (Szenario 1), Pyrolyse (Szenario 2) und Biomassevergasung mit Wasserstofferzeugung (Szenario 3). Die Ergebnisse zeigen eine Vorteilhaftigkeit der Pyrolyse, was die langfristige Reduktion der THG-Emissionen betrifft. Zudem handelt es sich im Vergleich zur Verbrennung um ein Verfahren mit höherem Innovationsgrad. In einer Machbarkeitsstudie wird dieser Verwertungsweg detaillierter betrachtet.

Aufbauend auf einer Ist-Analyse der festen Stoffströme, insbesondere der Abfallströme, im Landkreis Saarlouis wurde ein Schwerpunkt der Betrachtungen auf Grünschnitt als biogenen Reststoff gelegt. Die Zuständigkeiten für die Sammlung und Verwertung des im Saarland anfallenden Grünschnitts sind im Saarländischen Abfallwirtschaftsgesetz (SAWG), in der Grüngutsatzung (GrünGS) und im Gesetz zur Neuordnung der Saarländischen Abfall- und Abwasserwirtschaft (EVSG) geregelt. Für die Sammlung des privaten Grünguts sind die Kommunen zuständig, welche entsprechende Sammelstellen betreiben (§ 2 GrünGS). Übernahme, Beförderung, Behandlung und Verwertung obliegen dem Zweckverband „Entsorgungsverband Saar“ (EVS) (§ 3 GrünGS), dessen Verbandsgebiet das Saarland und dessen Mitglieder die saarländischen Kommunen sind (§ 1 Abs. 3 EVSG). Die Aufgaben des EVS kann dieser unter dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit auch an Dritte übertragen; hierzu zählen auch die Mitgliedsgemeinden (§ 2 Abs. 6 EVSG). Kommunales Grüngut kann unter den gleichen Bedingungen wie privates Grüngut erfasst und verwertet werden; hierfür besteht jedoch keine Überlassungspflicht der Kommunen gegenüber dem EVS, sodass eine eigene Verwertung grundsätzlich möglich ist (§ 3 Abs. 3 GrünGS). Eine mengenmäßige Erfassung der Grünschnittmengen erfolgt seitens des EVS durch Wiegung bei der Anlieferung an den Verwertungsstellen. Derzeit fallen etwa 40.000 Tonnen Frischmasse (FM) pro Jahr an. Für die Vor- und Machbarkeitsstudie wurde die künftig zu erwartende extern zur Verwertung ausgeschriebene Grünschnittmenge angesetzt, was einer Gesamtmenge von ca. 15.000 Tonnen FM pro Jahr entspricht. Gemäß den Anforderungen in der aktuellen Ausschreibung für Transport und Verwertung von Grüngut des EVS sind mindestens 50 % des Grünschnitts einer stofflichen Verwertung zuzuführen. Eine vorgeschaltete Vergärung sowie die energetische Nutzung holziger Anteile ist möglich. Nach der Aufbereitung mittels Vorzerkleinerung und Siebung kann der Grünschnitt in eine Feinfraktion und eine Mittel- beziehungsweise Grobfraktion (Brennstofffraktion) separiert werden. Da zu den Fraktionsanteilen und der jeweiligen Zusammensetzung keine Realdaten vorliegen, wurden Anhaltswerte aus der Literatur herangezogen. Für den Anteil an Störstoffgehalten wurde ein pauschaler Wert von 1 % der FM angesetzt. Auf Basis der Vorinformationen erfolgte im Rahmen der Vorstudie zunächst die Betrachtung von drei unterschiedlichen Verwertungsmöglichkeiten für Grünschnitt:

  • szenario 1  Kombination aus Kompostierung und Verbrennung,
  • szenario 2  Kombination aus Kompostierung und Pyrolyse und
  • szenario 3  Kombination aus Kompostierung und Biomassevergasung mit Wasserstofferzeugung

Die Szenarien unterschieden sich damit hinsichtlich der Verwertung der Brennstofffraktion (Mittel- und Grobfraktion), wohingegen die Feinfraktion bei allen drei Betrachtungen kompostiert wird. Von den 15.000 Tonnen FM pro Jahr werden somit 7.425 Tonnen einer Kompostierung zugeführt, 150 Tonnen werden als Störstoffe ausgeschieden und 7.425 Tonnen stehen einer alternativen Verwertung gemäß den entwickelten Szenarien zur Verfügung. Der Vergleich der drei Szenarien erfolgte anhand der folgenden Kriterien: 1. stoffliches Nutzungspotenzial, 2. Technologiereifegrad (engl. Technologie-Readiness-Level (TRL)), 3. Energieeffizienz, 4. Klimawirkung (Treibhausgas-Screeningbilanz) und 5. Investitionsbedarf. Die Ergebnisse des Vergleichs sind in der Tabelle dargestellt. Der innovative Charakter der thermischen Brennstoffverwertung nimmt von Szenario 1 bis 3 zu. Während die Verbrennung den herkömmlichen Verwertungsweg und auch das wahrscheinlichste IST-Szenario darstellt, ist die Pflanzenkohleproduktion mittels Pyrolyse eine Technologie, die für diese Anwendung vergleichsweise neuartig am Markt verfügbar ist.

KriteriumSzenario 1 Kompostierung und VerbrennungSzenario 2 Kompostierung und KarbonisierungSzenario 3 Kompostierung und Vergasung und Wasserstofferzeugung
Stoffliches NutzungspotenzialVerbrennungsasche: AschefrachtNährstoffe verwertbarSchwermetallfrachten vorwiegend biomasseabhängig, Aufkonzentrierung am stärksten (höchster Massenverlust), organische Schadstoffe vorwiegend prozessabhängigGrenzwerte sind einzuhaltenPflanzenkohle Aschefracht + KohlenstoffKohlenstoff als wertgebende KomponenteSchwermetallfrachten vorwiegend biomasseabhängig, Aufkonzentrierung geringer (hoher C-Gehalt)organische Schadstoffe vorwiegend prozessabhängigGrenzwerte sind einzuhaltenVergaserkoks Aschefracht + ggf. KohlenstoffVerwendung wie Pflanzenkohle möglichSchwermetallfrachten vorwiegend biomasseabhängig, Aufkonzentrierung mittel (C-Gehalt zwischen Verbrennungsasche und Pflanzenkohle erwartbar)Organische Schadstoffe vorwiegend prozessabhängigGrenzwerte sind einzuhalten Wasserstoff stoffliche oder energetische Verwertung
TRL-Einschätzung (thermische Verwertung)Klassische Skala: 9 IEA-Erweiterung: 11Klassische Skala: 8-9 IEA-Erweiterung: 8-10Klassische Skala: 5-7 IEA-Erweiterung: 5-7
Energieeffizienz (energetische Ausbeute)Gesamtszenario: ca. 54 % Nur thermisch: ca. 79 %Gesamtszenario: ca. 20 % Nur thermisch: ca. 29 %
Klimawirkung (THG-Screeningbilanz)Gesamtbilanz mit Gutschriften: ca. -2.900 t CO2-eq / a Nur C-Bilanz + direkte Emissionen: ca. +300 t CO2-eq / aGesamtbilanz mit Gutschriften: ca. -3.000 t CO2-eq / a Nur C-Bilanz + direkte Emissionen: ca. -2.300 t CO2-eq / a
InvestitionsbedarfGesamtanlage: ca. 5,3 Mio € Nur thermische Verwertung: ca. 2,3 Mio € (mit ca. 3,3 MW Brennstoffleistung)Gesamtanlage: 7,5 Mio. € Nur thermische Verwertung: ca. 4,5 Mio. € (mit ca. 4 MW Brennstoffleistung)

Demgegenüber kann die Wasserstofferzeugung in Szenario 3 als innovatives Zukunftsszenario betrachtet werden, da die notwendige verfahrenstechnische Umsetzung bisher vorwiegend im Forschungs- und Demonstrationsmaßstab stattfindet. Aufgrund der Unsicherheit verfügbarer Daten wurde für Szenario 3 auf eine quantitative Abschätzung verzichtet. Für die Szenarien 1 und 2 wurde eine vergleichende Betrachtung anhand aller fünf Kriterien durchgeführt. Wie die Kriterien „Energiebilanz“ und „stoffliches Nutzungspotenzial“ zeigen, ist die Verbrennung vorwiegend auf eine energetische und die Pyrolyse auf eine stofflich-energetisch kombinierte Verwertung ausgelegt. Während Szenario 1 eine höhere energetische Ausbeute erzielt, lässt sich in Szenario 2 mit der Pyrolyse eine größere Menge und ein vielseitig einsetzbarer stofflicher Output in Form von Pflanzenkohle erzeugen. Aus dem Investitionskostenvergleich der Szenarien 1 und 2 geht hervor, dass die Verbrennung geringere Investitionskosten aufweist als die Pflanzenkohleherstellung mittels Pyrolyse. Die Investitionskosten sind für die Wirtschaftlichkeit des Gesamtszenarios allerdings nur eingeschränkt aussagekräftig, da diese insbesondere von den Einnahmen und Betriebskosten abhängt und die erzielbaren Einnahmen für den Verkauf von Pflanzenkohle und CO₂-Zertifikaten in der Betrachtung nicht berücksichtigt wurden. Was die Klimawirkung betrifft, weist Szenario 2 vor allem langfristig Vorteile gegenüber Szenario 1 innerhalb der THG-Sceeningbilanz auf. Werden die Klimaziele der Bundesregierung eingehalten, soll Deutschland bis 2045 klimaneutral werden und ab 2050 negative THG-Emissionen erreichen (§ 3 Klimaschutzgesetz). Das bedeutet, dass die anzusetzenden Emissionsfaktoren für Strom, Wärme und Transport in den nächsten Jahren auf ein Minimum sinken müssen. Daraus geht hervor, dass langfristig von einer vergleichsweise besseren THG-Bilanz der Verfahren ausgegangen wird, welche zu einer C-Sequestrierung führen und als negative Emissionstechnologie einsetzbar sind. Hierzu gehört die Produktion von Pflanzenkohle gemäß den Standards des European Biochar Certificate (EBC) in Szenario 2. Für die THG-Bilanz hat das langfristig eine Verringerung der anzusetzenden Gutschriften zur Folge. Für den Zielkorridor einer vollständig dekarbonisierten Energiebereitstellung („Nur C-Bilanz + direkte Emissionen“) ergibt sich daraus ein Vorteil des Szenarios 2 gegenüber dem Szenario 1 von ca. – 2.300 t CO2-eq/a in Szenario 2 gegenüber + 300 t CO2-eq/a in Szenario 1 (siehe Abbildung).

Ausgehend von den Ergebnissen der Vorstudie wird im Rahmen der Machbarkeitsstudie die Integration einer Pyrolyse als Verwertungsszenario für den kommunalen Grünschnitt betrachtet. Dafür wurden drei Szenarien mit unterschiedlichen Technologieanbietern von Pyrolyseanlagen und Wärmenutzungskonzepten einer vergleichenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unterzogen. Aus den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie lassen sich Empfehlungen sowohl für die Umsetzbarkeit dieses Verwertungsszenarios im Saarland als auch für die Übertragbarkeit in andere kommunale Kontexte ableiten.

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

  • Derzeit ist die Datenlage zum anfallenden Grünschnitt noch gering, insbesondere der kommunale Anteil wird in den meisten Fällen nicht separat erfasst. Sollte hier eine eigene Verwertung der Kommunen angestrebt werden, ist eine separate Erfassung notwendig, um eine verlässliche Datengrundlage zu schaffen.
  • Bei Entscheidungen hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit unterschiedlicher Verwertungsmöglichkeiten sollten die Auswirkungen auf die THG-Bilanz geprüft werden, auch hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen.
  • Die regionale Verwertung des anfallenden Grünschnitts sollte in Verbindung mit einem sinnvollen Wärmenutzungskonzept umgesetzt werden.
  • Die Pyrolyse biogener Reststoffe wie Grünschnitt bietet neben einem energetischen Nutzungspotenzial die Möglichkeit einer stofflichen Verwertung der entstandenen Pflanzenkohle. Die damit realisierte CO2-Sequestrierung wird durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten honoriert.