
Konnekt: Interkommunale Kooperation und Transformation als Grundlage einer regionalen Kreislaufwirtschaft und einer nachhaltigen Regionalentwicklung im Landkreis Saarlouis
Nachhaltiges Gewerbegebiet Nalbach
Beispielhafte Überplanung eines bestehenden Gewerbegebiets nach Kriterien der Nachhaltigkeit
Autor*innen:
Nikita Agarwal, Björnsen Beratende Ingenieure, Leonberg
Lena Salm, Björnsen Beratende Ingenieure Erfurt, Leipzig
Imke Wißmann, Björnsen Beratende Ingenieure, Leonberg
Im Rahmen einer Studie wurde das bestehende Gewerbegebiet „Primsaue“ in Nalbach überplant. Hauptziel war es, Möglichkeiten für die Integration blau-grüner Infrastrukturen als Ansatz zur nachhaltigen Gestaltung aufzuzeigen, ohne die bestehende Gebäudestruktur zu verändern. Dazu wurde eine grundlegende Vorgehensweise entwickelt, die wesentliche Anforderungen und Ziele einer nachhaltigen Gewerbegebietsentwicklung festlegt, um daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten. Der Ansatz hebt das ungenutzte Potenzial von Gewerbegebieten als dynamische, multifunktionale Räume hervor, die zur urbanen Nachhaltigkeit, Klimaresilienz und zur Steigerung der Lebensqualität beitragen können.
Problemstellung
In den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Gestaltung von Gewerbe- und Industrielandschaften einen erheblichen Einfluss auf die soziale, wirtschaftliche und ökologische Funktion städtischer Räume haben kann. Um ihre Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit angesichts künftiger Herausforderungen zu gewährleisten, werden bei der Entwicklung von Gewerbegebieten zunehmend klimaresiliente Gestaltungsprinzipien berücksichtigt. Damit rückt die Aufwertung von Gewerbegebieten zu lebendigen öffentlichen Räumen, die nicht nur wirtschaftlichen Zwecken dienen, sondern auch die städtische Umwelt verbessern und die Lebensqualität der Menschen steigern, stärker in den Fokus. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen des Projektes Konnekt eine Studie mit dem Ziel angefertigt, eine Vision für das Gewerbegebiet „Primsaue“ in Nalbach zu entwickeln, die als Orientierungshilfe zur nachhaltigen Entwicklung für Akteure dienen kann. Die bestehende Gebäudestruktur wurde dabei nicht verändert. Das Ergebnis ist nicht als konkrete Planung zu verstehen, sondern als ein Aufzeigen von innovativen Möglichkeiten zur Integration von blau-grüner Infrastruktur in ein bestehendes Gewerbegebiet. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen einerseits die Resilienz gegenüber Folgen des Klimawandels wie Starkregen oder Hitze erhöhen sowie zur Förderung der Biodiversität beitragen und andererseits eine Umgebung schaffen, in der sich die Menschen vor Ort wohlfühlen. Damit einher geht eine Attraktivitätssteigerung des Gebiets – zum Vorteil sowohl der Mitarbeitenden als auch der Unternehmen.
Vorgehen
Der erste Schritt bei der Überplanung des bestehenden Gewerbegebiets „Primsaue“ war eine Ortsbegehung. Zudem wurden vorliegende Informationen wie Bebauungspläne, der Flächennutzungs- und Landschaftsplan sowie Starkregengefahrenkarten gesichtet und analysiert. Auf dieser Grundlage wurden im Rahmen einer SWOT-Analyse die wesentlichen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken für eine nachhaltige Entwicklung des bestehenden Gewerbegebiets zusammengetragen. In einem zweiten Schritt wurde die Zielsetzung konkretisiert. Daraus ergaben sich drei Handlungsdimensionen, die den Rahmen für die weiteren Ausarbeitungen darstellen.
- Klimaanpassung und Resilienz
- Integration von klimaresilientem Design von Infrastrukturen, um extreme Wetterereignisse infolge des Klimawandels zu bewältigen
- Verwendung von Regenwassergärten, bepflanzten Mulden-Rigolensystemen sowie begrünten Fassaden und Dächern, um das Stadtklima zu verbessern und Regenwasser effizienter zu managen
- Effiziente Raumausnutzung
- Optimierung der Landnutzung durch kompakte und multifunktionale Infrastrukturen, um sowohl natürliche Flächen zu erhalten als auch Platz für wirtschaftliche Aktivitäten zu schaffen
- Förderung einer gemischten Nutzung (Industrie und Erholung), um kurze Wege und Fußgänger*innenfreundlichkeit zu gewährleisten
- Ökologische Nachhaltigkeit
- Erhaltung und Erweiterung von biologischen Korridoren und urbanen Wäldern, um die Artenvielfalt zu erhöhen und die Luft- und Wasserqualität zu verbessern
- Einsatz erneuerbarer Energien und umweltfreundlicher Baumaterialien zur Minimierung des CO₂-Fußabdrucks
In einem nächsten Schritt wurden übergreifende Ziele formuliert, die als Grundlage für die Entwicklung konkreter Maßnahmen dienen und die für alle Handlungsdimensionen gelten.
Ziel 1: Dauerhaftigkeit – Schaffung resilienter und widerstandsfähiger Strukturen
Dieses Ziel legt den Schwerpunkt auf die dauerhafte Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Standorts gegenüber extremen Wettereignissen infolge des Klimawandels. Daraus leiten sich beispielsweise Maßnahmen wie die Schaffung multifunktionaler Räume unter Einbeziehung von nachhaltigen Siedlungsentwässerungssystemen ab, die Verbesserung der Versickerungs- und Auffangmöglichkeiten im Sinne des Schwammstadtprinzips oder Maßnahmen zur Vermeidung der Bildung von Wärmeinseln.
Ziel 2: Vielfältigkeit – Erhalt und Steigerung der Biodiversität
Dieses Ziel bezieht sich auf den Erhalt und die Steigerung der biologischen Vielfalt. Darunter fallen ein Nettozuwachs der Biodiversität sowie der Erhalt bestehender Lebensräume. Entsprechende Maßnahmen beinhalten u. a. die Vernetzung von Biotopen, die Auswahl heimischer und an klimatische Veränderungen angepasster Pflanzen und die Schaffung neuer biologisch wertvoller Lebensräume.
Ziel 3: Verbundenheit – soziale und physische Konnektivität
Dieses Ziel widmet sich der Erschließung innerhalb des Gewerbegebiets durch die gezielte Schaffung von Fuß und Radwegen sowie der sensiblen Integration blau-grüner Infrastruktur in den bestehenden Landschaftsraum. Dadurch soll das Gefühl der Identität erhalten und gestärkt werden.
Ziel 4: Wirtschaftliche Stärkung – Aufwertung der lokalen Wirtschaft, Umwelt und Gemeinschaft
Kern des Ziels ist die Entwicklung eines wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Gewerbegebiets, das sowohl den Menschen als auch der Umwelt zu Gute kommt. Dies beinhaltet eine gesamtheitliche, das heißt gestalterische, physische und funktionale Aufwertung der bebauten Umwelt. Entsprechende Maßnahmen beinhalten u. a. eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen zur Stärkung der lokalen Kreislaufwirtschaft oder den Anbau von Permakulturen.
Identifizierte Probleme und vorgeschlagene Maßnahmen:

Mögliche Maßnahmen:
- Regengärten, bepflanzte Mulden und Teiche, wasserdurchlässige Bodenbeläge, Baumrigolen

- Einbindung von Parkplätzen und Fahrradstellplätzen sowie Be- und Entladeflächen

- Garten- und Parkanlagen, schattige Sitzplätze, urbaner Gartenbau und Permakultur

- Kombiniertes Design von Lagerflächen mit Gehwegen und Grünelementen

- Blühwiesen, Dach- und Fassadenbegrünung, Vernetzung von Biotopen

Fazit
Im Rahmen der Studie wurde gezeigt, dass klimaresiliente Gestaltungsprinzipien und Elemente der blau-grünen Infrastruktur auch in einem bestehenden Gewerbegebiet integriert werden können. In einem ganzheitlichen Ansatz wurde eine Vision des Gewerbegebietes „Primsaue“ in Nalbach geschaffen, die nicht nur ökologisch wertvoll und funktional, sondern auch ästhetisch ansprechend ist. Nach Abschluss der Überplanung gab es Gespräche mit den Unternehmen und kommunalen Vertreter*innen vor Ort. Grundsätzlich wurde die Überplanung positiv aufgenommen. Hier zeigte sich auch, dass es für künftige Überplanungen von wesentlicher Bedeutung ist, bereits in einem frühen Planungsstadium den Kontakt mit ansässigen Unternehmen zu suchen und sie in den Planungsprozess einzubinden. Dadurch können die spezifischen Anforderungen, die sich durch ihre wirtschaftliche Tätigkeit ergeben, erfasst und somit die Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen gewährleistet werden. Die entwickelte Vorgehensweise und die einzelnen Maßnahmen können als Modell für andere Städte dienen, die nach Möglichkeiten suchen, bestehende Gewerbegebiete nachhaltiger zu gestalten.
Handlungsempfehlungen (für Kommunen):
- Der nachhaltigen (Weiter-)Entwicklung bestehender Gewerbegebiete kommt eine besondere Bedeutung zu; dies ergibt sich auch aus der zunehmenden Reglementierung (z. B. Ziele der EU: Netto-Null-Flächenverbrauch bis 2050). Kommunen sollten sich daher bereits jetzt darüber Gedanken machen, wie bestehende Gewerbegebiete klimaresilient und zukunftsfähig ausgestaltet werden können.
- Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, Elemente der blau-grünen Infrastruktur in bestehende Gewerbegebiete zu integrieren. Kern der Überlegungen sollte ein ganzheitlicher Ansatz sein.
- Im Planungsprozess sollten alle Interessengruppen bereits in einem frühen Stadium beteiligt werden; dazu gehören unter anderem die kommunalen Entscheidungsträger*innen, Stadtplaner*innen, aber auch Vertreter*innen aus den Unternehmen und die Öffentlichkeit. Informationsveranstaltungen und Maßnahmen des Wissenstransfers helfen dabei, allen Beteiligten die Notwendigkeit und die Vorteile grün-blauer Infrastrukturen zu verdeutlichen. Ein reger Austausch der unterschiedlichen Interessengruppen schafft Verständnis und vermeidet Planungsfehler.
- Im Planungsprozess sollten auch „weiche“ Faktoren berücksichtigt werden, wie die Aufenthaltsqualität oder die Ästhetik des Gebietes insgesamt. Dies kann sich positiv auf das Image der ansässigen Unternehmen, den Ansiedelungswillen „nachhaltiger Unternehmen“ sowie auf die Gewinnung von Mitarbeitenden auswirken.