Konnekt: Interkommunale Kooperation und Transformation als Grundlage einer regionalen Kreislaufwirtschaft und einer nachhaltigen Regionalentwicklung im Landkreis Saarlouis

Klimaneutrale Energieversorgung von Wohngebieten

Zukunftsweisende Technologiekonzepte für eine nachhaltige Strom- und Wärmeversorgung

Autoren: Simon Spath und Nima Haghighatian, IZES gGmbH

Deutschland hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden. Die dafür erforderliche Transformation des Energiesystems betrifft nicht nur die Industrie oder den Verkehrssektor, sondern auch die treibhausgasneutrale Umgestaltung von Wohngebieten in den Kommunen. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen von Konnekt für das bestehende Wohngebiet im Ortsteil Bilsdorf der Gemeinde Nalbach verschiedene zukunftsfähige Technologiekonzepte zur erneuerbaren Strom- und Wärmeversorgung simuliert und miteinander verglichen.

Durch die Novelle des Klimaschutzgesetzes und das damit verbundene Ziel der Treibhausgasneutralität in Deutschland bis 2045 hat die Bundesregierung ehrgeizige Ziele festgelegt1. Die notwendige Transformation zur Reduzierung der Treibhausgase wird nicht nur durch die Abschaltung von Kohlekraftwerken, die Umstellung von industriellen Prozessen oder den Wandel unseres Verkehrssystems hin zu nachhaltigen Mobilitätsformen stattfinden. Auch der Gebäudesektor, der rund 15 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland verursacht, wird einen entscheidenden Beitrag zur Klimaneutralität leisten müssen2. Kommunen, Gebäudebesitzer*innen sowie Akteure der Energie- und Bauwirtschaft stehen vor der Herausforderung, Lösungen zu finden, sowohl bestehende Wohngebiete als auch Neubaugebiete so zu gestalten bzw. umzubauen, dass mithilfe erneuerbarer Energien die Strom- und Wärmeversorgung gewährleistet wird und sie bis 2045 klimaneutral sind.
Aktuell werden die Bestrebungen von Gebäudebesitzer*innen bzw. Kommunen hin zu klimafreundlicheren Gebäuden und Quartieren durch verschiedene Maßnahmen unterstützt. Der Austausch von Heizungen, die Sanierung der Gebäudehülle und der Neubau von energieeffizienten Gebäuden wird durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) gefördert und durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) geregelt3. Durch das „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ und die damit verbundene Einführung einer verbindlichen und flächendeckenden kommunalen Wärmeplanung wird zusätzlich ein weiterer Grundstein für die Transformation unseres Energiesystems gelegt.4  Gleichzeitig stehen viele Gebäudebesitzer*innen vor offenen Fragen hinsichtlich der klimaneutralen Transformation ihres Wohngebäudes und sind aufgrund der starken Energiepreisschwankungen der letzten Jahre und neuer politischer Rahmenbedingungen verunsichert. Fragen wie „Kann eine Wärmepumpe in einem Altbau wirtschaftlich betrieben werden?“, „Sind unsere Stromnetze in der Lage, den erhöhten Bedarf durch Wärmepumpen und Elektroautos zu bewältigen?“ oder „Ist ein Anschluss meines Wohnhauses an ein Wärmenetz möglich?“ sowie „Welche Rolle werden saisonale Energiespeicher künftig spielen?“ sind nur einige der drängenden Themen, die derzeit im Fokus stehen. Im Rahmen von Konnekt wurde durch das Aufzeigen von Möglichkeiten für die zukünftige Energieversorgung des bestehenden Wohngebietes des Ortsteils Bilsdorf der Gemeinde Nalbach und eines geplanten Neubaugebiets der Stadt Lebach ein Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen im Zuge der Transformation von Wohngebieten geleistet. Neben der Beantwortung aktueller Fragestellungen wurde auch berücksichtigt, wie die Zukunftsfähigkeit dieser Wohngebiete über 2045 hinaus durch eine nachhaltige Energieversorgung gesichert werden kann. Im Folgenden werden exemplarisch ausgewählte Ergebnisse für das Wohngebiet in Bilsdorf erläutert.

Abbildung 1: Darstellung Wohngebiet Bilsdorf – Gemeinde Nalbach (© IZES 2024 | Geobasisdaten, © LVGL GDZ 5/2022)


Im ersten Schritt wurden für das Wohngebiet grundlegende Daten wie die Anzahl der Bewohner*innen, die Baualtersklassen, die Gebäudeanzahl sowie Informationen zur aktuellen Energieversorgung des Bestandsgebiets erhoben. Zukünftige Entwicklungen, wie etwa der erwartete Bevölkerungsrückgang und der steigende Stromverbrauch durch Elektromobilität, wurden ebenfalls berücksichtigt. Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Eckdaten des bestehenden Wohngebiets.

 Status Quo2045
Gebäudetypvorwiegende Einfamilienhäuservorwiegende Einfamilienhäuser
Anzahl der Einwohner11211009
Anzal Gebäude404370
Fläche des Ortsteils Bilsdorf3,37 km23,37 km2
Stromverbauch1.950 MWh2.650 MWh
Wärmeverbrauch13.400 MWh8.600 MWh (60 % Sanierungsgrad)

Im nächsten Schritt wurde das Potenzial für erneuerbare Energien (Wind, Sonne und Biomasse) analysiert, um darauf aufbauend verschiedene Technologiekonzepte zu simulieren. Zur Simulation der möglichen Technologiekonzepte für Bilsdorf kam die Software nPro Energy zum Einsatz, die es ermöglicht, verschiedene Varianten hinsichtlich der eingesetzten Technologien für Quartiere zu berechnen und miteinander zu vergleichen. Dabei war es entscheidend, nicht nur eine jährliche Energiebilanz zu erstellen, sondern auch die saisonalen und tageszeitlichen Schwankungen innerhalb eines Jahres zu berücksichtigen, um das Zusammenspiel der verschiedenen Technologien zu untersuchen. Dies ist besonders wichtig, um beispielsweise den hohen Wärmebedarf zum Heizen im Winter und die gleichzeitig geringe Energieproduktion von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen im Winter zu berücksichtigen sowie die Rolle saisonaler Energiespeicher einzubeziehen. Für die Gegenüberstellung verschiedener Konzepte zur Energieversorgung wurden zwei Szenarien definiert: eines mit dem Einsatz eines Wärmenetzes und zentraler Energieerzeugung sowie eines mit dezentraler Energieversorgung, bei dem z. B. Wärmepumpen oder Biogaskessel in den einzelnen Gebäuden zum Einsatz kommen. Für beide Szenarien wurden jeweils zwei Varianten mit verschiedenen Technologien zur Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energien festgelegt. Die zwei Szenarien und vier Varianten sind in Abbildung 2 dargestellt. Neben dem Einsatz unterschiedlicher Technologien wurden außerdem verschiedene Annahmen hinsichtlich des Sanierungsgrads der Gebäude und der Vorlauftemperaturen zur Wärmebereitstellung untersucht.

Die Ergebnisse der Simulation des Technologiekonzepts mit dem höchsten Autarkiegrad bestehend aus Wärmenetz, saisonalem Wärmespeicher, PVT-Anlagen (Kombination aus Solarthermie- und Photovoltaikanlagen) sowie zentraler Wärmepumpe und Windkraft sind beispielhaft in Abbildung 3 dargestellt (Szenario 1 „Wärmenetz“ – Variante 2). Der aktuelle Energieverbrauch (Ist-Zustand) ist den Verbräuchen der Variante 2 in Abhängigkeit der jeweiligen Sanierungsgrade von 30 %, 60 % und 100 % der Gebäude in Bilsdorf gegenübergestellt. Die Balken in Blau (65° C Vorlauftemperatur) und Orange (50° C Vorlauftemperatur) zeigen die gesamte Energieerzeugung der verschiedenen Erzeugungsanlagen. Der Energieverbrauch der simulierten Varianten mit Sanierungsgraden der Gebäude in Bilsdorf von 30 %, 60 % bzw. 100 % ist deutlich geringer als der Ist-Zustand mit etwa men z. B. an Fassaden und Dächern oder dem Austausch von Fenstern das Ziel der Klimaneutralität näher rückt. In allen Varianten wird trotz eines höheren Stromverbrauchs durch Elektromobilität mehr Energie erzeugt, als im Gebiet benötigt wird, sodass überschüssiger Strom in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden kann. Durch den Einsatz eines saisonalen Wärmespeichers wird bei einem Sanierungsgrad von 60 % der Gebäude ein sehr hoher Autarkiegrad von knapp über 80 % erreicht. Bilsdorf könnte sich also zu 80 % selbst mit vor Ort erzeugter klimafreundlicher Energie versorgen und müsste nur 20 % der Energie aus dem öffentlichen Netz beziehen.

Abbildung 3: Gegenüberstellung Energieerzeugung und Energieverbrauch – Szenario 1 – Wärmenetz – Variante 2 (Eigene Darstellung)

Die Erkenntnisse aus den Simulationen bieten wertvolle Ansätze, wie Kommunen ihre Klimaziele erreichen können. Sie zeigen, dass maßgeschneiderte Lösungen entwickelt werden müssen, um den spezifischen Anforderungen der Wohngebiete vor Ort gerecht zu werden. Die Sanierung der Gebäude sowie die Integration von innovativen Technologien wie saisonalen Energiespeichern und die optimale Nutzung von Energieüberschüssen stellen dabei zentrale Aspekte dar, um den Weg zur Treibhausgasneutralität erfolgreich zu beschreiten.

Handlungsempfehlung

  • Definition eines konkreten Ziels zur Klimaneutralität der Wohngebiete
  • Frühzeitige Einbeziehung von Stakeholdern (Bürger*innen, Energieversorger, Bauwirtschaft etc.) und klare Kommunikation der Klimaziele der Kommune
  • Nutzung von Förderprogrammen zur Einstellung von Fachpersonal und zur Durchführung von Studien bzw. Umsetzung von Maßnahmen (z. B. Klimaschutzmanager*in, kommunale Wärmeplanung, Quartierskonzept etc.)
  • Analyse des Status Quo hinsichtlich Energieverbräuchen, CO₂-Bilanz und Potenzial, Erneuerbarer Energien
  • Berücksichtigung von Trends und Entwicklungen hinsichtlich Bevölkerungsentwicklung, Änderungen von Energieverbräuchen und neuen Technologien
  • Analyse der verschiedenen Möglichkeiten zur treibhausgasneutralen Strom- und Wärmeversorgung von Wohngebieten unter Berücksichtigung verschiedener Technologien und Potenziale
  • Umsetzung von begleitenden Maßnahmen (Innovative Wohnkonzepte, Sharing-Konzepte, Wohnbörse etc.)

Fußnoten:
1 Bundesministeriums der Justiz 2024.
2 Umwelt Bundesamt 2024.
3 Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle 2024.
4 Bundesministeriums der Justiz 2023.
5 Gemeinde Nalbach 2023.
6 Eigene Berechnungen/ energis-Netzgesellschaft mbH 2024.

Literaturverzeichnis:
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (2024): Bundesförderung für effiziente Gebäude. Online verfügbar unter https://
www.bafa.de/DE/Energie/Effiziente_Gebaeude/effiziente_gebaeude_node.html.
Bundesministeriums der Justiz (2023): Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze.
(Wärmeplanungsgesetz – WPG). Online verfügbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/wpg/WPG.pdf.
Bundesministeriums der Justiz (2024): Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). Online verfügbar unter www.gesetze-
im-internet.de/ksg/KSG.pdf.
Eigene Berechnungen/ energis-Netzgesellschaft mbH (2024): Energiedaten Gemeinde Nalbach.
Umwelt Bundesamt (2024): Anteil der Treibhausgasemissionen nach Sekotren des Klimaschutzgesetzes
(KSG) im Jahr 2023. Online verfügbar unter https:// www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/klimaschutz-imverkehr#
rolle.