Konnekt: Interkommunale Kooperation und Transformation als Grundlage einer regionalen Kreislaufwirtschaft und einer nachhaltigen Regionalentwicklung im Landkreis Saarlouis

Visionsworkshops mit Kommunen

Wie wollen wir im Jahr 2100 gemeinsam im Landkreis Saarlouis (zusammen)leben, wohnen und arbeiten?

Autor*innen: Ulrike Schinkel, Mike Speck, Dorothee Siemer, Manuel Trapp, Simon Spath & Lili Meiser – IZES gGmbH; Vertreter*innen der Gemeinde Nalbach, der Kreisstadt Saarlouis und des Landkreises Saarlouis

Das Vorhaben Konnekt erarbeitete innovative, in die Zukunft gerichtete konzeptionelle Ansätze der Kreislaufwirtschaft; um entsprechende Zielstellungen für den Landkreis Saarlouis zu formulieren, wurde mit Vertreter*innen der beteiligten Kommunen eine Serie von „Visionsworkshops“ durchgeführt. Der folgende Artikel stellt das Konzept der Visionsworkshopserie für die Kommunen dar, fasst ausgewählte Ergebnisse und entwickelte Zukunftsvorstellungen zusammen und gibt Empfehlungen zur Übertragung des Ansatzes auf andere Kommunen.

Zielstellung der Visionsworkshops

Im Vorhaben Konnekt wurden Konzepte für die Kreislaufwirtschaft der Zukunft entwickelt; um konkrete Zielstellungen für diese Technologie- und Transformationskonzepte zu erarbeiten, wurden im Jahr 2023 unter Einbindung von Vertreter*innen der Gemeinde Nalbach, der Kreisstadt Saarlouis und des Landkreises Saarlouis eine Serie von Visionsworkshops durchgeführt. Ziel der Workshops war die Entwicklung einer positiven „Vision 2100“ für die weit entfernte Zukunft des Landkreises sowie die Ableitung notwendiger Weichenstellungen. Die durch die kommunalen Vertreter*innen formulierten Zukunftsvorstellungen wurden durch Ideen und Wünsche der jungen Generation ergänzt.

Konzept der Visionsworkshops

Die Visionsworkshops lehnten sich an der Methode der Zukunftswerkstatt (z. B. vgl. Jungk & Müllert 1981, Stracke-Baumann 2019) an und legten den Schwerpunkt auf die Themen des Vorhabens Konnekt. Die Teilnehmenden wurden ihrer fachlichen Expertise nach in Kleingruppen – sogenannten „Zukunftsteams“ – eingeteilt, die sich den verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft) widmeten.

Durchführung und Ergebnisse der Visionsworkshops

Im Rahmen des 1. Visionsworkshops setzten sich die Teilnehmenden mit der Ausgangssituation vor Ort auseinander; mittels einer SWOT-Analyse wurden Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken des Landkreises Saarlouis im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung identifiziert. Unterstützt wurde die Diskussion durch einen Impulsvortrag zu für die Region relevanten Megatrends und zu den Zukunftschancen des Landkreises (vgl. Prognos AG 2022). Stärken im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung wurden in der aktuell guten sozialen und technischen Infrastruktur, in der Leistungsfähigkeit der Verwaltung, im vorhandenen Wissen der Unternehmen, im gesellschaftlichen Zusammenhalt und im Engagement der lokalen Akteure für den Klima- und Umweltschutz gesehen.
Als Schwächen wurden u. a. die geringe Anpassungsfähigkeit der technischen Infrastruktur und der steigende Kostendruck, das kommunale „Kirchturmdenken“, die mangelnde Flexibilität in Verwaltungsprozessen, der zum Teil begrenzte Wille zur Veränderung in der Gesellschaft, der zunehmende Fachkräftemangel, die Abhängigkeit der regionalen Wirtschaft u. a. vom produzierenden Gewerbe sowie die wenig fortgeschrittene Digitalisierung benannt. Chancen für die nachhaltige Entwicklung im Landkreis Saarlouis bieten aus Sicht der Akteure u. a. die Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit, die Umsetzung innovativer Konzepte für Wohnen und Arbeiten, die gezielte Förderung der regionalen Entwicklung, die Transformation hin zur Wissensgesellschaft, die Zunahme des Umweltbewusstseins in der Gesellschaft und die Digitalisierung. Risiken für die nachhaltige Entwicklung stellen aus Sicht der Akteure u. a. die zunehmende Anfälligkeit digitaler und technischer Infrastrukturen, negative Klimawandel- und Umwelteinflüsse, die Verstärkung des Fachkräftemangels und die Aufgabe von Unternehmen, eine mögliche Beschneidung der Planungsautonomie der Kommunen sowie der Verlust des gesellschaftlichen Miteinanders durch den Trend zur Individualisierung dar.

Abbildung: Impressionen 1. Visionsworkshop

Im 2. Visionsworkshop wurden – ausgehend von den identifizierten Chancen für die nachhaltige Entwicklung im Landkreis Saarlouis – positive Zukunftsvorstellungen für das Jahr 2100 und für verschiedene Themen des Vorhabens Konnekt entwickelt. Für diesen Workshop wurde bewusst das Jahr 2100 als Zielhorizont gewählt, um den Teilnehmenden das Ausblenden aktueller Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Hürden zu erleichtern. Ein Impulsvortrag zu Techniktrends ermöglichte den Teilnehmenden das Einfühlen in eine zum Teil noch ferne Welt. Die „Zukunftsteams“ entwickelten unterschiedliche, zum Teil auch miteinander in Konflikt stehende, Zukunftsvorstellungen: Die Vorstellungen zur Raumentwicklung reichten z. B. von der Entwicklung stark verdichteter Zentren, umgeben von weitläufigen Grünräumen und landwirtschaftlichen Produktionsflächen, bis zum Erhalt kleinteiliger Siedlungen und „Wohninseln“ im ländlichen Raum. In der Vorstellung der kommunalen Akteure leben die Menschen im Jahr 2100 in einer intakten Umwelt; Gesundheit und Wohlbefinden haben einen sehr hohen Stellenwert. Vor dem Hintergrund einer möglichen Verdichtung im urbanen Raum und der Allgegenwart virtueller Realitäten wurden verschiedene Aspekte des gemeinschaftlichen Lebens, der individuellen Entfaltung sowie entsprechende Anforderungen an Wohn-, Arbeits- und Lebensräume diskutiert. Im Jahr 2100 soll die 100 %-ige Kreislaufwirtschaft und die Schließung der Stoff-, Waren- und Finanzkreisläufe im Landkreis Saarlouis Realität sein. In diesem Zusammenhang diskutierten die Akteure auch Vorstellungen zu möglichen Wirtschaftsformen und Bezahlsystemen sowie zur Rolle von Großkonzernen und regionalen Produzent*innen. Vor dem Hintergrund des erwarteten Einsatzes Künstlicher Intelligenz und der Vollautomatisierung wurden darüber hinaus die Rolle der Arbeit in der Gesellschaft der Zukunft und der Wandel von Planungs- und Entscheidungsprozessen kontrovers diskutiert.

Abbildung: Impressionen 2. Visionsworkshop

Der 3. Visionsworkshop legte den Schwerpunkt auf die

Realisierung ausgewählter Zukunftsvorstellungen. Die

Teilnehmenden erarbeiteten unter Anwendung der Backcasting-Methode – u. a. auf Grundlage der identifizierten Schwächen und Risiken – mögliche Umsetzungshindernisse, Schritte zu ihrer Überwindung und nötige Weichenstellungen. Zu Schritten, die für eine effiziente Flächennutzung und für die Schaffung kompakter Zentren bereits heute durch die Kommunen unternommen werden können, gehören die Anpassung räumlicher Zielsetzungen in der kommunalen Bauleitplanung und der Aufbau eines interkommunalen Flächenmanagements, eine aktive Steuerung der Wohnraumentwicklung und die Entwicklung innovativer nutzungsgemischter Wohnformen und Typologien. Im Hinblick auf die 100 %-ige Kreislaufwirtschaft der Zukunft müssen verschiedene Themenfelder, z. B. die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen, der Bürokratieabbau zur Ermöglichung der interkommunalen Kooperation, die Schaffung von Finanzierungsoptionen sowie Forschung und Entwicklung, adressiert werden. Die Verbesserung der regionalen Versorgung mit Waren und Dienstleistungen kann aus Sicht der Akteure durch gezielten Fördermitteleinsatz unterstützt werden.

Abbildung: Impressionen 3. Visionsworkshop

Erfahrungen und Fazit

Die Erarbeitung der von Zukunftsvorstellungen mit Beteiligung verschiedener Kommunen und Fachbereiche hat sich als erfolgreich – und auch als herausfordernd herausgestellt.

Die Visionsworkshops – ihre Konzentration auf das Jahr 2100 und weniger auf aktuell bestehende Rahmenbedingungen – haben zu wertvollen Ergebnissen für das Vorhaben Konnekt geführt: Die „Zukunftsteams“ haben positive Zukunftsvorstellungen für den Landkreis Saarlouis entwickelt und notwendige Weichenstellungen identifiziert, die zum Teil bereits heute vorgenommen werden können. Diese dienten dem Vorhaben im weiteren Verlauf als Richtschnur für die Entwicklung der Technologie- und Transformationskonzepte für die Kreislaufwirtschaft der Zukunft.

Das Zusammenbringen unterschiedlicher Perspektiven aus Sicht der Verwaltung und Politik hat jedoch auch dazu geführt, dass zu vielen Zukunftsthemen keine einheitliche Position entwickelt werden konnte. Im Ergebnis stehen nun verschiedene Zukunftsvorstellungen für den Landkreis Saarlouis gleichberechtigt nebeneinander.

Handlungsempfehlungen für Kommunen

  • Kommunale Planungen können enorm von Zukunftswerkstätten oder „Visionsworkshops“, die sich auf die Kommune als Ganze oder auch auf Teilaspekte konzentrieren, profitieren.
  • Die Auseinandersetzung mit Umsetzungshürden, die Definition von Zwischenschritten und Zwischenzielen erleichtert die Umsetzung der
    Zukunftsvorstellungen. Die Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen ist herausfordernd, daher hat sich die Einbindung von externen Expert*innen aus Forschung und Praxis als sinnvoll erwiesen.
  • Zukunftswerkstätten leben von der Vielfalt der Perspektiven; daher ist es nicht nur wichtig, Fachexpertise aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft in den Diskussionsprozess einzubinden, sondern auch verschiedene soziale und Altersgruppen.
  • Die Teilnahme an Zukunftswerkstätten benötigt Zeit und Engagement der Teilnehmenden. Daher muss im Vorfeld geklärt werden, wie die Ergebnisse weiterverfolgt werden.

Literatur:

Jungk, R. & Müllert, N. R. (1981): Zukunftswerkstätten. Mit Phantasie gegen Routine und Resignation. Hamburg: Hoffmann und Campe
Prognos AG (2022): Zukunftsatlas 2022 – Das Ranking für Deutschlands Regionen. Berlin
Stracke-Baumann, C. (2019): Nachhaltigkeit von Zukunftswerkstätten. Bonn: Stiftung Mitarbeit (3. Auflage)